Aphasie

Aphasie (griechisch „ohne Sprache“), wird oft mit „Sprachverlust“ ins Deutsche übersetzt.
Eine Aphasie ist eine zentrale Sprachstörung infolge neurologischer Erkrankungen (Schlaganfall, Schädelhirntrauma, Gehirnblutung nach Venenthrombose, Tumoren, entzündliche Erkrankungen) nach abgeschlossenem Spracherwerb. Sie verursacht Beeinträchtigungen in den einzelnen sprachlichen Modalitäten (Sprechen, Verstehen, Schreiben und Lesen) in unterschiedlichen Schweregraden.

Aphasiologie beschäftigt sich mit der Diagnostik und Behandlung der Aphasien. Bekannte Formen der Aphasie sind z. B. die Broca-Aphasie, die Wernicke-Aphasie, die amnestische Aphasie und die globale Aphasie.

Amnestische Aphasie:

Symptom dieser Aphasieform sind Wortfindungsstörungen (Schwierigkeiten beim Benennen von Gegenständen u. Ä.). Aphasiker greifen deshalb beim Sprechen auf Umschreibungen („zum die Hose halten“ statt „Gürtel“), Füllwörtern („das Dings da“) und Oberbegriffe („Wald“ statt „Baum“) zurück. Außerdem kommt es zu Satzabbrüchen. Die Sprache ist flüssig und der Satzbau komplex. Bei schwereren Formen kann es zu zögernder Sprechweise kommen. Außerdem führen diese schwer betroffenen Aphasiker Gespräche oft nicht eigenständig und aktiv weiter. Beim Schreiben findet man Parallelen zur gesprochenen Sprache. Das Leseverständnis ist in der Regel vorhanden.

Broca-Aphasie (früher auch „motorische Aphasie“):

Die Sprache von Broca-Aphasikern weist einen deutlichen Agrammatismus auf. Eine andere (aber irreführende) Bezeichnung dafür ist auch „Telegrammstil“, weil die Patienten in kurzen, syntaktisch reduzierten Sätzen sprechen. Der „Telegrammstil“ wird von Aphasikern aber nicht willentlich benutzt, sondern liegt im Fehlen grammatischer Strukturen begründet. Der Sprachfluss von Broca-Aphasikern ist beeinträchtigt. Das liegt an ihrem beschränkten Wortschatz und der Verwendung von phonematischen Paraphasien (Phonemvertauschungen: „Sasse“ statt „Tasse“) und semantischen Paraphasien (Wortvertauschungen: „Erde“ statt „Katze“). Außerdem lassen Broca-Aphasiker oft Wörter und Silben aus. Ihre Morphologie ist vereinfacht. Statt „er lief“ sagen Broca-Aphasiker beispielsweise „er laufte“. Das Sprachverständnis ist in der Regel gut erhalten und auch das Bewusstsein für die eigene Störung ist da. Beim Schreiben werden oft Funktionswörter und grammatische Wortteile ausgelassen. Auch das Lesen ist stark beeinträchtigt. Der Inhalt des Erlesenen wird meist aufgrund sinntragender Wörter erraten. Broca-Aphasien sind meist mit einer Sprechapraxie oder einer Dysarthrie gekoppelt.

Wernicke-Aphasie (früher auch „sensorische Aphasie“):

Die Wernicke-Aphasie steht für eine schwere Störung des Sprachverständnisses. Der Patient benutzt außerdem viele phonematische Paraphasien (Lautverdrehungen) und semantische Paraphasien (Wortvertauschungen). Seine Sprache weist zudem Neologismen (Wortneuschöpfungen) und Paragrammatismus (Satzverschränkungen) auf. Von dieser Aphasie Betroffene haben außerdem Probleme bei der Wortfindung. Sprachmelodie und Artikulation sind aber gut erhalten. Die Sprache ist flüssig, kann aber bis zu Logorrhoe (inhaltloses „Dauerreden“) gehen. Wernicke-Aphasiker springen im Gespräch ohne Überleitung von Thematik zu Thematik, weshalb die Kommunikation mit ihnen mittelgradig bis schwer gestört ist. Ihr Bewusstsein für die Störung ist kaum vorhanden, weshalb sie im Gespräch ungeduldig werden, wenn man nicht gleich den Sinn ihrer Worte versteht. In schweren Fällen kann es sein, dass der Aphasiker ausschließlich im „Wernicke-Jargon“ spricht. Seine Sprache ist dann durch so viele semantische und phonematische Paraphasien geprägt, dass er fast ausschließlich in Neologismen redet. Die Schriftsprache von Wernicke-Patienten ist verändert, ungenau, unleserlich und kaum zu erkennen.

Globale Aphasie:

Bei der globalen Aphasie handelt es sich um die schwerste Form der Aphasien. Hier liegt eine Beeinträchtigung in allen sprachlichen Modalitäten vor. Sprachverständnis wie Sprachproduktion sind schwer gestört, die Spontansprache ist nicht flüssig, die Sprechanstrengung ist erhöht und es treten dysarthrische Symptome auf. Die Kommunikation mit Global-Aphasikern ist deshalb bis zur Unmöglichkeit gestört. Teilweise ist es den Patienten noch möglich, sinnlose Wort- oder Silbenreihen wie „tatata“ oder „dodo“ (recurring utterances) zu benutzen, um durch Modulation in Sprachmelodie, Lautstärke oder Intonation einfache Absichten und Wünsche wie Freude/Ärger oder Zustimmung/Ablehnung auszudrücken. Ein Phänomen bei dieser Aphasieform ist, dass die Patienten trotz gestörter Spontansprache Liedtexte (automatisierte Reihen) abrufen können. So kann es sein, dass ein Global-Aphasiker, der seit einer Woche keinen Ton mehr gesagt hat, plötzlich beginnt, „Yellow Submarine“ von den Beatles zu singen. Die Schriftsprache ist in der Regel stark betroffen. Meistens handelt es sich um einen Totalinfarkt der Arteria cerebri media.

Sonderformen:

Neben diesen vier Hauptarten (Standardsyndrome) der Aphasie gibt es seltenere Sonderformen, wie z. B. die transkortikale Aphasie (transkortikal-sensorisch oder transkortikal-motorisch), die sich darin äußert, dass die Betroffenen nachsprechen, aber nicht frei reden können, und die Leitungsaphasie, die meistens durch Läsionen im Bereich des Fasciculus arcuatus der dominanten Hemisphäre entsteht und für die eine starke Einschränkung des Nachsprechens bei ansonsten weitgehend intakten sprachlichen Fähigkeiten charakteristisch ist.

Körperlich Symptome:

Bei Schlaganfallpatienten kommt es durch das neurologische Ereignis sehr oft zu einer einseitigen Lähmung (Hemiparese). Da in einer hohen Prozentzahl das neulogische Ereignis in der linken Hirnhälfte eintritt, ist die rechte Körperseite (gesammter rechter Arm und gesamtes rechtes Bein) von der Lähmung betroffen. Viele Schlaganfallpatienten sind auf den Rollstuhl und auf intensive Hilfe Dritter angewiesen.

Vielen Patienten ist trotz ihrer schweren Erkrankung die Teilnahme am alltäglichen Leben möglich. Sie besuchen – trotz körperlicher Einschränkungen – Veranstaltungen, gehen ins Kino, in Museen, Theater und auf Reisen.

AphasikerInnen sind krank, aber nicht dumm !

Sehr oft treten Schluckbeschwerden (Dysphagie) bis zu Schwierigkeiten beim Sprechen (Dysatrophonie) auf. Auch gezielte körperliche Bewegungen können betroffen sein (Ataxie).